straßenmädchen (städtische Frauen)
Künstler/in
Marc Mer
(geb. 1961 in Innsbruck, Tirol)
Date1999
ClassificationsFotografie
MediumDigitalprint auf Dibond, WerkNr. 753458.33, 753458.32
Paper Support2-teilig
Dimensionsje: 90 x 60 cm
Credit LineArtothek des Bundes
Object number26512
DescriptionEiner seit 1993 bis heute andauernden Serie fotografischer Aufnahmen, die eine besondere Vorliebe für Motive kennzeichnet, wie sie vor allem ein durch Werbeeinschaltungen erotisierten Nachtraum der Städte aufscheinen macht, entstammt die zweiteilige Arbeit mit den Werknummern 753458.33/32, die 1999 in Köln entstanden ist.Motivisch wie inhaltlich steht die fotografische Serie "straßenmädchen [städtische frauen]" parallel zu den in verschiedenen deutschen Großstädten realisierten "literarischen Stadtrauminstallationen" von Marc Mer - ein Begriff, den der Künstler im selben Jahr für diese sehr spezielle Art und Ausrichtung seiner seitdem immer wieder auch unmittelbar als Katalysator in den öffentlichen Raum eingreifenden Arbeit geprägt hat.
Wie in den "literarischen Stadtrauminstallationen" die Einschaltung von Texten auf Verkehrsschildern in den Stadtraum eine fiktive Verschiebung der Verfassung des jeweiligen Ortes bewirkt, so zeugen diese Fotografien von einer solchen gerade ebenfalls. Als "Gebrauchsanweisung für Orte" - so der Titel einer "literarischen Stadtrauminstallation" in Bochum 2002 - lassen auch sie sich lesen.
Im Hinblick auf diese zwei Aufnahmen besteht die verwandtschaftliche Parallelität zwischen beiden Werkgruppen sogar in besonderem Maße, datieren sie doch aus dem gleichen Jahr, da der Künstler in Köln seine erste "literarische Stadtrauminstallation" mit dem Titel "local talks [ortsgespräche]" realisiert hat. Auf einem der Schilder, welches sich heute in der Kunstsammlung der Stadt Wien befindet, gab sich dazumal in Köln von Robert Musil der Satz zu lesen: "man muss sich wieder der unwirklichkeit bemächtigen; die wirklichkeit hat keinen sinn mehr!" In den Aufnahmen der fotografischen Serie "straßenmädchen [städtische frauen]" hingegen schaut die Unwirklichkeit aus der Wirklichkeit. Was zu Robert Musil keineswegs im Widerspruch steht, sagt der doch selbst an anderer Stelle: "Es ist die Wirklichkeit, welche die Möglichkeiten weckt, und nichts wäre so verkehrt, wie das zu leugnen."
Wo aus dem sie umgebenden Dunkel an einer Haltestelle das Bild einer Frau im Bikini aufleuchtet, da wartet dieselbe auf kein öffentliches Verkehrsmittel. Wenn sie sich ebenda überhaupt aufhält, so nicht nur für etwas anderes, sondern ebendafür noch dazu in ganz anderem Sinn. In einem solchen -eindeutig zweideutigen - wendet sie sich an den einzelnen automobilen Passanten, wartet auf ihren potentiellen privaten Passagier, der sein kann, wer will. Dabei fällt es ihr sichtlich schwer, einen jeden nicht doch von Anfang an und solange wie nur irgend möglich darüber im Unklaren zu lassen, dass sie in sein rollendes Separée, falls er es ihretwegen denn in der Absicht anhält, sie mitnehmen zu wollen, niemals wirklich wird einsteigen können.
Die durch vielfältige Verästelung immer weiter um sich greifende Surrealität einer realen Situation verlockt den Betrachter, sich auf etwas einzulassen, das andauernd dabei ist, sich selbst zu widersprechen, um sich aber eben dadurch in seinen formalen wie inhaltlichen Potentialen nur noch zu steigern. Das lässt einen Ort, den es zu sehen gibt, motivisch ganz neu erstehen. Ein fiktiver ist dieser so nicht eigentlich, vielmehr als solcher einer, der auf irritierende Art real genug ist. Diesen anderen Ort im Ort wirksam werden zu lassen, befördert nicht zuletzt, dass es Nacht ist um ihn. Wie aus ihr herausgeschnitten, erscheint er. Wie von ihr aufgedeckt. Oder auch, als ob er sich da aus ihr gerade selbst herausschneide und so in seinem Anderssein aus Eigenem aufdecke. Zugleich darüber, bei Nacht ein ganz anderer als bei Tage zu sein, fast ein wenig überrascht.
© 2005 OPPC
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