Ohne Titel (Schlins)
Künstler/in
Roland Haas
(geb. 1958 in Bludenz, Vorarlberg)
Date2008
ClassificationsMalerei
MediumAcryl auf Leinwand
Dimensions148 × 198 × 4,5 cm
Credit LineArtothek des Bundes
Object number27609
DescriptionVom Stereotyp des Äusseren zum Konzept der VerinnerlichungNach rund zweieinhalb Jahrzehnten des Schaffens, in dem sich innerliche und äußerliche Befindlichkeiten im Aquarell als formale und farbliche Versuchsanordnungen "entluden", das Aquarell also eine Art Vermittlerrolle zwischen Innerlichkeit und äußerem Abbild funktionierte, ist im Schaffen Haas' nun eine rigorose Umorientierung feststellbar. Das konzeptionelle Moment ist stark in den Vordergrund gerückt. Acryl als Farbgebungsmittel hat die Aquarellfarbe großteils verdrängt, auch wenn der Farbauftrag transparent geblieben ist. Das bislang bevorzugte Kleinformat ist Formaten gewichen, die teils bis ins Monumentale reichen. An die Stelle von Naturlandschaften sind häufig industrielle und städtische Zonen getreten. Waren die früheren Aquarelle leergefegt von Menschen, so tauchen jetzt auf einmal Personen und Personengruppen im Bild auf. Waren die in Aquarelltechnik durchgeführten "Landschaftsaufnahmen" inhaltlich vor allem auf die topografisch-visuelle Notation ausgerichtet, werden die großformatigen Bilder nun mit einem Male zu Geschichtenerzählern, zu Ansichten, die biografisch-persönliche Details reflektieren. Die Landschaft ist nicht mehr nur Versuchsraum und Reisestation und momentbezogen, vielmehr wird sie immer mehr zum Kooperationsgebilde, zur Reflektion von Kunst und Wirklichkeit, von Wahrnehmung von Wirklichkeit und von Wahrnehmung von Wahrnehmung. Kunst- und Lebensraum durchdringen sich auf einmal gegenseitig und gehen eine Symbiose ein.
An der Bruchlinie, die den Künstler auf neue Pfade geführt hat, steht unter anderem die Bekanntschaft und Partnerschaft mit der jungen Medienkünstlerin Ines Agostinelli. Der künstlerische Dialog hat Roland Haas inspiriert, seinen Werkkomplex zu erweitern und den Blick auf neue Inhalte zu richten.
Auslandsstipendien für Pyrgi (Griechenland) und Paliano (Italien) sowie Gastateliers in der Kartause Ittingen (Schweiz), in Gmünd (Kärnten) und in Atlin (Kanada) haben die Neuausrichtung und Umpositionierung zusätzlich beflügelt. Entscheidend auch der Gedankenaustausch und die Vernetzungsmöglichkeiten im Zuge der SilvrettAteliers, die er im biennalen Rhythmus organisiert und leitet.
Das Interieur, die Urbanität, das Autobiografische
(...)
Urbane, industrielle Zonen (Landschaften) sind weitere Marksteine der Haas'schen Bruchlinie. Den Beginn macht hier die Ansicht einer auf einer Anhöhe gelegenen Müllverbrennungsanlage in Colleferro, einer südöstlich von Rom gelegenen Industriestadt. Der Künstler bläst die Szenerie zu monumentaler Größe auf. Die Anlage, welche einen Gutteil des römischen Mülls aufnimmt, thront wie eine Burg auf dem Hügel. Über Jahrzehnte wurden hochgiftige Stoffe illegal mit entsorgt. Was auf den ersten Blick nur "hässlich" scheint, hat auf den zweiten Blick lebensbedrohliche Konsequenzen. Und doch erinnert die Inszenierung an die eines Schlosses; in ähnlicher Erhabenheit, in Zentralperspektive vom fahrenden Auto aus betrachtet: das Zementwerk im Zentrum es bedeckt die ganze Stadt mit einer schmutzigen Staubschicht.
Auch den folgenden industriellen Zonen, wie etwa den Bildern des Kranerzeugers Liebherr merkt man die Lust am Neuen an. Urbane Zonen, industrielle Landschaften sind für Haas eine neue Form von Landschaften, die ungeahnte ästhetische Qualitäten bergen. Er setzt sie nicht vordergründig anprangernd ins Bild, sondern als Teile der Zeit, von denen einesteils eine Bedrohung, andererseits eine eindringliche Faszination ausgeht.
Von den entvölkerten, reinen, flüchtigen, nur unter großem Aufwand zu erreichenden Naturräumen führt der Weg also in die Randzonen der Kulturlandschaft (...)
(Auszug aus einem Text von Karlheinz Pichler "Der Bruchlinie entlang", in: "Roland Haas - Marken des Zugriffs", BUCHER Verlag, 2009.)
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