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© Bildrecht, Wien, 2016; Foto: Roland Krauss
Memo Lisa
© Bildrecht, Wien, 2016; Foto: Roland Krauss
© Bildrecht, Wien, 2016; Foto: Roland Krauss

Memo Lisa

Künstler/in (geb. 1969 in Düsseldorf, Deutschland)
Date2015
ClassificationsMalerei
MediumAcryl, Bleistift, Pinselborsten, Zeitungspapier auf Jute
Dimensions200 × 110 × 4,6 cm
Credit LineArtothek des Bundes
Object number28055
DescriptionIn den neuen Werkgruppen entwickelt Maja Vukoje ihr Interesse für das Verhältnis des Westens zu östlichen, afrikanischen und lateinamerikanischen Kulturen weiter und führt dieses von einer vormals stärker erzählerischen Zugangsweise in eine Technik der Collage bzw. Assemblage und abstraktere Darstellungsweisen über. Der Künstlerin geht es dabei zuallererst um den globalen Austausch von Waren, Menschen und kulturellen Artefakten und wie diese gegenseitigen Beziehungen und die „Aufteilung des Sinnlichen“ gelesen und verstanden werden können. Sie verbindet diese Auseinandersetzung mit einem verstärkten Einsatz von gefundenen oder imitierten Materialien und der Erweiterung der Bildfläche in den Raum.

Angeregt von Paul Klees Bild Vogelscheuche (1935), das sich im Museum moderner Kunst in Wien befindet, entwirft sie in ihrer neuen Serie von großformativen Malereien eine Bildgrammatik mit Kopf, Rumpf und Gliedmaßen, die auf dem durch die transparente Jute des Bildgrundes sichtbaren Rahmen wie aufgehängt erscheinen. Anknüpfend an ihre Serien von Geistern und Feen, lässt sie in ihren Figurinen, Avatare, künstliche Personae bzw. Wiedergänger erscheinen, die zwischen Materialisierung und Entmaterialisierung changieren, geschickt in Szene gesetzt durch den spielerischen Einsatz einer Vielzahl von malerischen Techniken und ästhetischen Strategien.

Das Stoffliche wird in seiner Fülle entweder als materielles Einsprengsel oder als Imitation (Textilien) ins Bild gesetzt: Glänzende und irisierende Passagen werden mit matten und gebleichten kombiniert, reliefartige, schattenwerfende Erhöhungen und Opazität mit dem nackten Malgrund. Die Leinwand wird von beiden Seiten bearbeitet – die textile Struktur der Jute wird in diesem Prozess zu einem Sieb, durch welches die Farbe gequetscht wird und auf der anderen Seite hervorquillt oder durchblutet. Die unterschiedlichen Verfahren bearbeiten und verarbeiten die Bildfläche in einem bravourös vorgeführten Malprozess und lassen ein Bildobjekt, eine Projektionsfolie, entstehen, dessen Mechanismen und Erscheinungsformen vielfältig, durch Lichteinfall veränderbar und in seinem komplexen Zusammenspiel letztendlich rätselhaft und nicht endgültig entschlüsselbar bleiben. Die „meisterliche“ Beherrschung der Technik wird nicht ohne Ironie eingesetzt: eine dichte Vorführung, welche die Geschichte der Malerei vom Tachismus und dem Action Painting über den Materialismus eines Alberto Burri bis zur Airbrush-Technik der Pop-Art und des Hyperrealismus reflektiert und ausbeutet.

Die zusammengesetzten und gesampelten Motive und Sujets der Figurinen greifen noch weiter aus und kombinieren chinesische und afrikanische Masken und abstrakte und ethnische Stoffmuster mit Geschichten von Mobilität, Flucht und der Suche nach Identität: zum Beispiel in der Figur des afroamerikanischen Musikers und Begründers des Afrofuturismus Sun Ra und seiner Rückbesinnung auf eine konstruierte und imaginierte ägyptische Vergangenheit durch Maskerade in Verbindung mit Glamour und einer esoterisch-synkretistischen Überhöhung der eigenen Person.

In der Serie der kleinformatigen Bilder, die direkt auf Exportsäcke aus Jute z.B. für Kaffee gemalt sind, kommt es zu einem kalkulierten Zusammenspiel von bestehendem bereits bedruckten Malgrund und materiellen Malsubstanzen in Form der gehandelten Produkte (Kaffee und Zucker). Die Bilder sprechen so an, dass der Warenaustausch und die damit verbundene ungleiche Verteilung des Profites, den diese Ressourcen abwerfen, nach wie vor globale Verhältnisse bestimmen.

Eine weitere Variante des Verhältnisses des Westens zu den Ländern der ehemaligen Kolonien wird in der Serie der geschälten Früchte und Gemüse vorgeführt. Als exotische, vormals sehr teure Produkte, gelangen sie auf langen Handelswegen in den Westen und werden in den malerischen Inszenierungen von Maja Vukoje vor unseren Augen ihrer schützenden Haut entledigt und lassen ihr schillerndes und leuchtendes Fleisch erkennen. Objekte der Verführung und eines verlagerten Orientalismus, der nicht mehr die menschliche (weibliche) Haut zum zentralen Thema hat, sondern die Sinnlichkeit der Früchte des Südens, die schon in den niederländischen Stillleben des 17. Jahrhunderts so treffend vor Augen geführt wurden. Es scheint schier unmöglich, sich der Macht der Anziehung dieser Bilder zu entziehen – die Künstlerin entwickelt somit eine geschickte Strategie, die Mechanismen der Projektion auf das Fremde und Exotische ins Bild zu setzen.

Hemma Schmutz

Einzelausstellung von Maja Vukoje, Galerie Martin Janda, 11. November bis 19. Dezember 2015
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